Data Literacy-Zertifikat für Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften

Liebe Studierende, liebe Dozierende,

das heiSKILLS Kompetenz- und Sprachenzentrum möchte Sie auf das neu konzipierte Data Literacy-Zertifikat für Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften aufmerksam machen.

Die einzelnen, auch separat belegbaren Kurse des Zertifikats zielen darauf ab, eine Orientierung über dieses umfangreiche Gebiet zu schaffen und grundlegende Kompetenzen in der computergestützten Datenverarbeitung zu vermitteln. Folgende Fragen werden im Rahmen des Zertifikats behandelt: Was sind Daten und was verstehen wir unter „Big Data“? Was sind die sozialen Auswirkungen von bestehenden und neuen Datenbeständen? Was kann ich im Studium und im Beruf mit diesen Daten anfangen? Wie kann ich Daten zielgerichtet bearbeiten? Sind Analysen und Visualisierungen immer zuverlässig? Welche Perspektiven ergeben sich für mich aus diesem neuen Arbeitsbereich?

Das Kursangebot im WiSe 24/25 umfasst folgende Themen: Digitalisierung in Gesellschaft & Forschung, Programmieren in R, computergestützte Vorbereitung & Analyse von Textdaten und kritisches Denken. Weitere Details zu den Kursinhalten finden Sie im LSF: https://ogy.de/gj1k. Die Kurse finden sowohl in Präsenz als auch im Flipped Classroom-Format statt.

Die Anmeldung erfolgt durch die Studierenden über das LSF. Dabei muss darauf geachtet werden, dass oben rechts das korrekte Semester ausgewählt ist. Der Anmeldezeitraum beginnt ab dem 12.08.2024. Die Teilnahme für die Studierenden ist kostenlos. Die einzelnen Kurse entsprechen einem Leistungsumfang von jeweils 2 bis 3 ECTS. Um das Zertifikat zu erhalten, müssen der Basiskurs und drei Vertiefungskurse besucht sowie ein Portfolio eingereicht werden.

Bei Fragen und Anmerkungen können Sie uns natürlich auch gerne kontaktieren:

Sebastian Cujai: cujai@uni-heidelberg.de

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Team des heiSKILLS Kompetenz- und Sprachenzentrums

Organisierte Keime – Oder: Warum in Deutschland immer noch Tausende Krankenhauspatienten jedes Jahr an nosokomialen Infektionen sterben

Von Stefan Bär

Quelle: Pixabay

Unverändert besteht das Risiko in Deutschland, sich im Krankenhaus eine nosokomiale Infektion zuzuziehen. Das sind Infektionen, die im Zusammenhang mit dem Aufenthalt und der medizinischen Behandlung stehen. Sie zählen zu den häufigsten Komplikationen einer Krankenhausbehandlung. Nach seriösen Schätzungen infizieren sich jährlich circa 500.000 Patienten mit Krankenhauskeimen und zwischen 10.000 und 15.000 davon versterben.
Wenn multiresistente Keime ins Spiel kommen, wird die Sache kompliziert, langwierig und häufig genug lebensbedrohlich. Dabei gibt es auch gute Nachrichten. Denn die Erkrankungshäufigkeit liegt seit einigen Jahren konstant bei unter 4,0 Prozent - trotz der Zunahme der Anzahl behandelter Patienten auf über 19 Millionen Fälle pro Jahr und trotz der Zunahme des Anteils an älteren, multimorbiden und damit vulnerableren Patienten. Doch letztlich ist jeder Patient, der an solchen Infektionen erkrankt oder verstirbt, ein Patient zu viel. Deswegen stellt sich die Frage: Woran liegt es eigentlich, und wie lässt es sich vermeiden?

Der tragische Fall am Bremer Klinikum-Mitte im Jahr 2011

Greifen wir den Fall des Todes der drei Frühgeborenen auf der Intensivstation für Neugeborene am Bremer Klinikum-Mitte im Jahr 2011 auf. Er ist gut untersucht. In den Jahren von 2009 bis 2012 war es dort zu einem Erkrankungsausbruch durch Infektion mit Klebsiella pneumoniae, einem multiresistenten Darmkeim, bei insgesamt 37 Kindern gekommen. Allein im Jahr 2011 waren 30 Neugeborene erkrankt, von denen drei verstarben. Selbst nach der kompletten Renovierung und Wiedereröffnung der Station trat im Jahr 2012 der genidentische Keim abermals bei sechs Kindern auf, und wie anhand von konservierten Blutproben festgestellt werden konnte, war genau derselbe Keim bereits 2009 bei einem Kind auf der Bremer Neonatologie festgestellt worden. Woran lag es nun in diesem tragischen Fall? War es der Chefarzt, der fristlos entlassen wurde oder waren es Schlampereien in Bezug auf die Einhaltung von Hygienerichtlinien, wie es in den Medien häufig thematisiert wird?
Folgt man dem 615 Seiten umfassenden Abschlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses der Bremischen Bürgerschaft sieht man: Es war die Krankenhausorganisation, die dahintersteckte. Es sind „organisierte Keime“, die sich nicht einfach durch den Austausch von einzelnen Verantwortlichen oder durch die Verabschiedung neuer Hygienerichtlinien aus der Welt schaffen lassen. Sie sind eine Begleiterscheinung der Krankenhausorganisation. Kein einzelner Verantwortlicher oder die mangelnde Einhaltung von Hygienerichtlinien durch das betreuende ärztliche- oder Pflegepersonal waren dem Untersuchungsbericht zufolge die alleinige Ursache. So sahen es im Übrigen auch die Richter des Bremer Arbeitsgerichts, die im Mai 2012 die Kündigung des Chefarztes der Kinderklinik für unwirksam erklärten.

"Organisierte Keime" - Eine Begleiterscheinung der Krankenhausorganisation

Quelle: Pixabay

Der Untersuchungsbericht zeigt einmal mehr, dass die Krankenhäuser zwar formal ein Hygienemanagement etabliert haben, aber dass es sehr schwer ist, dies im operativen Alltag umzusetzen. Wohl gab es ordentliche Richtlinien, Vorgaben, Stellenschlüssel und Personal. Aber der Teufel steckt auch hier immer im Detail. So war z.B. der Krankenhaushygieniker im Bremer Fall für sehr viele Sachgebiete und eine große Anzahl weiterer Kliniken zuständig. Er war nicht in die Krankenhaushierarchie eingebunden und gegenüber den Hygienefachkräften vor Ort noch nicht einmal weisungsbefugt. Auf der Krankenhausführungsebene wurden Mängel im Hygienemanagement, aber auch durch den Chefarzt angemahnte Personallücken nebst Überlastungsanzeigen des dortigen Personals kaum zur Kenntnis genommen. Die von Fachverbänden empfohlene Ausstattung der Intensivstation mit Pflegepersonal wurde dem Abschlussbericht zufolge häufig unterschritten. Auf der Ebene der staatlichen Überwachung durch das Gesundheitsamt konnte das zuständige Referat „Infektionsepidemiologie“ aufgrund einer niedrigen Besetzung die ihm obliegenden Aufgaben kaum wahrnehmen. Das Maß an Routinebegehungen von medizinischen Einrichtungen wurde auf ein inakzeptables Maß beschränkt und die Einhaltung von Hygienestandards in den bremischen Krankenhäusern wurde erst gar nicht überprüft. Wie häufig, griff so ein Zahnrädchen in das andere.

Hygiene wird zwar von der Organisation erwartet, aber in der Organisation nicht prioritär sichergestellt

Das Bremer Krankenhaus erwies sich in seinem Kampf gegen gefährliche Keime als schlecht gewappnet. Zudem motivieren die „Hygienefaktoren“ in den Karrieresystemen der Krankenhäuser keinen Chef zu einer Beförderung, sie tauchen in keinen Bonussystemen auf und fehlen in den öffentlich zugänglichen Bewertungen der Krankenhäuser weitgehend. Hygiene wird zwar von der Organisation erwartet, aber sie wird in der Organisation nicht prioritär sichergestellt. Schließlich ist ihre Einhaltung im Krankenhaus aufgrund der Komplexität der Abläufe außerordentlich aufwändig. Regeln werden immer dann gerne umgangen, wenn deren Anzahl zu groß ist, wenn sie zu umständlich sind und wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass ihre Umgehung sanktioniert wird. Und das ist hier der Fall. Im Arbeitsalltag werden die Regeln vielfach umgangen und nur Wenige sanktionieren Regelverstöße, wenn sie sie sehen. Studien zum Umgang mit Handhygiene in Krankenhäusern haben gezeigt, dass es vielfältiger Interventionen und einer Veränderung der gesamten Organisationskultur bedarf, um die einer umfassenden Hygiene zuwiderlaufende Handlungspraxis nachhaltig zu verändern.

Kein deutsches Phänomen

Auch wenn man es oft anders liest: „Organisierte Keime“ sind kein deutsches Phänomen. Die Krankenhäuser in anderen Ländern haben ebenfalls große Schwierigkeiten, diese Begleiterscheinung der Krankenhausorganisation in den Griff zu bekommen. In den Niederlanden beispielsweise ist zwar das Risiko, sich im Krankenhaus eine Infektion mit MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) einzuhandeln, deutlich geringer, als in Deutschland. Bei anderen Keimen, wie z.B. den Klebsiellen, unterscheidet sich die Situation jedoch nicht. Beim Ländervergleich kann man allerdings erkennen, dass die Art der Arbeitsteilung, die Arbeitsbelastung und ein feststehender Betreuungsschlüssel wichtige Parameter in der Krankenhausorganisation sind, um die Compliance bei Hygienevorschriften zu erhöhen.
Es bleibt zu hoffen, dass die diesbezüglichen Krankenhausreformen und der Kulturwandel in deutschen Krankenhäusern irgendwann dahin führen, dass nosokomiale Infektionen zu bedauerlichen Einzelfällen werden und sie nicht mehr, wie heute noch, eine erschreckend „normale“ Begleiterscheinung der Krankenhausorganisation sind.

 

Quellen

Bericht der Bundesregierung über nosokomiale Infektionen und Erreger mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen, Drucksache 18/3600 vom 18. Dezember 2014

Daschner, F.: Deutsche Kliniken- ein Hygieneskandal? In: Arzt und Krankenhaus 4/2011, S. 106-107

Epidemiologisches Bulletin 26/2012 des RKI vom 2. Juli 2012

Focus Online: Gefährliche Keime. Mangelnde Hygiene im Krankenhaus: Jede vierte Klinik fällt durch. http://www.focus.de/gesundheit/arzt-klinik/klinik/gefaehrliche-keime-hygiene-im-krankenhaus-jede-vierte-klinik-faellt-durch_id_6481301.html, vom 11. Januar 2017

Hawking, D.: Der Stellenwert der Krankenhaushygiene – Erkenntnisse einer deutschlandweiten Befragung. In: Das Gesundheitswesen, 08. Februar 2017 (eFirst)

Hibbeler, B.: Hygiene-Skandal in Bremen: Auf der Suche nach den Schuldigen. In: Deutsches Ärzteblatt 2011, 108(48): A-2586 / B-2164 / C-2136

Larson, E. L., et al. An organizational climate intervention associated with increased handwashing and decreased nosocomial infections. In: Behavioral Medicine 26.1 (2000): 14-22.

Naikoba, S., and  Hayward, A.: The effectiveness of interventions aimed at increasing handwashing in healthcare workers-a systematic review. Journal of hospital infection 47.3 (2001): 173-180.

Parlamentarischer Untersuchungsausschuss “Krankenhauskeime“, Drucksache 18/677 vom 29. November 2012

SPIEGEL ONLINE Wissenschaft: http://www.spiegel.de/thema/krankenhaushygiene/

Texte der akademischen Gedenkfeier für Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. M. Rainer Lepsius online verfügbar

Am 2. Oktober 2015 fand – anläßlich seines einjährigen Todestages – eine akademische Gedenkfeier zu Ehren von Prof. Dr. Dr. h.c. M. Rainer Lepsius statt. Hier ist das damalige Programm noch einmal aufgeführt und die Textbeiträge der Redner stehen unten zum Herunterladen bereit:

PROGRAMM

  • Musikalischer Auftakt
  • Begrüßung – Prof. Dr. Markus Pohlmann, Heidelberg
  • Disziplinäres – M. Rainer Lepsius als Soziologe – Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schluchter, Heidelberg
  • Musikalisches Intermezzo
  • Interdisziplinäres und Internationales – M. Rainer Lepsius und die Politische Wissenschaft – Prof. Dr. Peter Graf Kielmansegg, Mannheim
  • M. Rainer Lepsius und die Sozialgeschichte – Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Langewiesche, Tübingen
  • Erinnerungen an M. Rainer Lepsius – Prof. Dr. Pietro Rossi, Turin
  • Musikalischer Ausklang

Zum Herunterladen: Redner-Beiträge der akademischen Gedenkfeier (2.10.2015) für Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. M. Rainer Lepsius