Projektbeschreibung
Das Projekt widmet sich der Untersuchung von Whistleblowing als zentralem Element einer funktionierenden Compliance-Kultur in Organisationen. Im Fokus steht die Frage, welche Mechanismen und Strukturen Mitarbeitende dazu veranlassen, wahrgenommenes Fehlverhalten zu melden (Speak-up) – oder eben nicht. Hintergrund ist das im Juli 2023 in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), welches Mitarbeitende vor Repressalien schützen und die Bereitschaft zur Meldung von Missständen erhöhen soll.
Hintergrund
Obwohl das Gesetz auf der EU-Whistleblower-Richtlinie basiert, ist die Umsetzung dieser Richtlinie jedoch nationale Angelegenheit und hängt somit vom nationalen Recht ab. Damit gibt das Gesetz zwar bereits eine Vielzahl an Richtlinien und Einhaltungen vor, lässt aber in der Umsetzung einen großen Interpretationsspielraum, welcher wiederum zu einer variierenden Wirksamkeit führen kann. Organisationen stehen somit vor der Herausforderung, effektive und vertrauenswürdige Meldewege zu etablieren. Denn in vielen Organisationen wird (organisationales) Fehlverhalten häufig gar nicht als solches wahrgenommen oder - wenn doch - oft toleriert, da es meist (kurzfristige) Vorteile, wie Prozessvereinfachungen und verkürzte Arbeitswege mit sich bringt.
Dies wiederum bringt Mitarbeitende oft in eine schwierige Situation und stellt sie vor die Entscheidung, ob sie solche Praktiken melden sollen oder nicht. Eine solche Meldung führt nicht selten zu internen Konflikten oder sogar Nachteilen für die meldende Person. Gleichzeitig sind es gerade die Mitarbeitenden, die täglich in der Organisation agieren und als erste Regelabweichungen wahrnehmen und durch frühzeitige Meldungen dazu beitragen können, mögliche daraus resultierende (Reputations-)Schäden für die Organisation zu vermeiden. Die Einführung von Whistleblowing-Plattformen und die aktive Unterstützung durch Führungskräfte können diesen Konflikt verringern und die Compliance-Kultur in der Organisation stärken. Es reicht jedoch nicht, lediglich formale Strukturen wie die Benennung von Compliance-Beauftragen einzuführen und sich hierdurch eine Besserung im Meldeverhalten der Mitarbeitenden zu erhoffen.
Projektziele
Ziel des Projekts ist es, tiefergehende Einblicke in das tatsächliche Meldeverhalten zu gewinnen, bestehende Whistleblowingmaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu analysieren und praxisnahe Empfehlungen zur Stärkung einer nachhaltigen Compliance-Kultur abzuleiten. Besonders im Fokus stehen dabei die Wahrnehmung und Akzeptanz von Whistleblowing innerhalb unterschiedlicher Organisationskontexte sowie die Auswirkungen informeller Normen, (Führungs-)Kulturen und organisationaler Rahmenbedingungen auf die Entscheidung zum Whistleblowing.
- Analyse interner Strukturen und Mechanismen, die die Bereitschaft zur Meldung fördern oder hemmen (z. B. Art der Meldeverfahren, Organisationskultur)
- Bewertung des Einflusses des Hinweisgeberschutzgesetzes auf Meldeverhalten und „organizational Bystanding“
- Identifikation effektiver Whistleblowing-Tools und -Umsetzungsformen
- Entwicklung praxisnaher Handlungsempfehlungen für Organisationen zur Förderung einer offenen, regelkonformen Organisationskultur
Zur Beantwortung dieser Fragestellungen wird ein Factorial Survey Design eingesetzt. In der Studie werden realitätsnahe Vignetten präsentiert, die unterschiedliche Szenarien organisationalen und individuellen Fehlverhaltens darstellen. Mit Hilfe der Vignettenanalyse lassen sich die Einflussfaktoren auf das Meldeverhalten detailliert herausarbeiten.
Leitung
Prof. Dr. Markus Pohlmann
Mitarbeitende
Kim Angelina Kettner
Projektlaufzeit
2025-2028
Heidelberg Research Group for Organization Studies – Prof. Dr. Markus Pohlmann. heiGOS.