Von Steffanie Richter
„Bundesweites Tierhaltungsverbot für Schweinebaron Straathof“, titelten die Medien im Sommer 2016. Dem Niederländer Adrianus Straathof, einer der größten Schweineproduzenten Europas, wurde per Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg am 4. Juli persönlich verboten, in Deutschland weiterhin Schweine zu halten. Die Straathof-Gruppe betreibt in Deutschland 26 Mastanlagen an verschiedenen Standorten mit rund 350.000 Schweinen. Im Jerichower Land im Norden von Sachsen-Anhalt soll Straathof seit dem Jahr 2005 wiederholt gegen den Tierschutz verstoßen haben, zahlreiche Fälle wurden von Tierschützern, aber auch Veterinären dokumentiert. Gegen das Urteil war der Schweinezüchter in mehreren Instanzen vorgegangen. Am Standort Gladau wurde der Niederländer im Jahr 2014 schließlich zu Zwangs- und Bußgeldern in Höhe von 2,1 Millionen Euro wegen mehrfacher Verstöße gegen die Landesbauordnung, das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung rechtskräftig verurteilt. Im Herbst 2014 zog sich Straathof nach Vorwürfen der Tierquälerei seitens der Behörden aus der Geschäftsführung seiner LFD Holding zurück. Straathof ging zwar gegen das Tierhaltungsverbot des Magdeburger Verwaltungsgerichts in Berufung, sein Antrag wurde jedoch am 11. November 2016 vom Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt endgültig abgelehnt. Mit diesem Urteil ist das Tierhaltungsverbot gegen Straathof nun rechtskräftig und unanfechtbar und muss in ganz Deutschland eingehalten werden.
Tierhalteverbot als Präzedenzfall in der Massentierhaltung
Das Tierhalteverbot gegen Straathof ist das erste Verbot dieser Art in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Ausmaß der tierschutzwidrigen Zustände schockierte selbst hartgesottene Veterinäre. Die Veterinärbehörde des Jerichower Landes hatte auf der Grundlage mehrerer Kontrollen die Gründe für das Tierhaltungsverbot in einer 337-seitigen amtstierärztlichen Stellungnahme dargelegt. Die Rede war von einer Vielzahl von massiven Verletzungen wie Ohrverlusten, Lahmheiten, Klauenabrissen, Schulterverletzungen, Abszessen, Leistenbrüchen und Darmvorfällen; weiterhin ohne Betäubung totgeschlagene Ferkel, überbelegte Ställe und zu kleine Kastenstände (Metallkäfige aus Stahl, in denen die Tiere wochenlang eingepfercht sind und sich kaum bewegen können).
Ist Straathof ein Einzelfall?
Wie aber konnte es zu diesen massiven Verstößen gegen geltendes Tierschutzrecht kommen? Ist Straathof ein Einzelfall? Wohl kaum. Massentierhaltungsbetriebe stehen wegen eklatanter tierschutzrechtlicher Verstöße immer wieder in der Kritik. Etwa 60 Millionen Schweine, 3,6 Millionen Rinder, 630 Millionen Hühner, 40 Millionen Puten und 25 Millionen Enten wurden 2015 im Rahmen gewerblicher Schlachtungen in deutschen Schlachthöfen getötet (Statistisches Bundesamt 2015). Die Tiere lebten zuvor meist in „Tierfabriken“ unter tierverachtenden Bedingungen. Die Tierhaltung hat längst nichts mehr mit dem Bauernhofidyll zu tun, das in der Werbung und in Kinderbüchern zelebriert wird. Die meisten der in Deutschland gehaltenen Schweine sehen niemals Tageslicht, haben weder Auslauf noch Suhl- und Scheuermöglichkeiten und vegetieren in überfüllten und strukturlosen Buchten mit Betonspaltenböden. Straathof ist nicht das „schwarze Schaf“ unter vielen weißen Schafen. Vielmehr hat die teilweise an Gesetzen vorbei organisierte Massentierhaltung System. Die aufgedeckten Fälle verdeutlichen, dass Kontrollbehörden wie die Veterinärämter offenbar nicht in die Lage versetzt werden, selbst auffällig gewordene Betreiber so zu kontrollieren, dass wenigstens die ohnehin geringen gesetzlichen Mindeststandards umgesetzt werden. Das deutsche Tierschutzgesetz schreibt in Paragraf 2 zwar vor, dass Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht werden müssen. Dennoch sind Praktiken wie die betäubungslose Ferkelkastration, das Kupieren von Schwänzen und die totale Bewegungslosigkeit von Muttersauen in Kastenstand und Abferkelkäfig alltäglich und gelten als „gute fachliche Praxis“. Was steckt dahinter? Ist es nur das Profitinteresse der Massentierhalter?
Massentierhaltung – industrialisiert und globalisiert
Die Organisation der Massentierhaltung ist nicht nur globalisiert und weitgehend industrialisiert, sondern sie verläuft an vielen Stellen unkontrolliert. Dadurch entstehen Gelegenheitsstrukturen, die in einer Kultur des Wegsehens in organisierter Form genutzt werden. Die besorgten wie in den Konsumgewohnheiten zu selten reagierenden Verbraucher machen dies ebenso möglich wie das Personal im Umfeld der Massentierhaltung. Auch hier gilt: Die Regeln werden zum Nutzen der Massentierhaltung umgangen. Es sind nicht wenige, welche die Tierschutzgesetze umgehen. Dadurch entsteht ein devianzförderliches Umfeld. Das Tierleid wird rationalisiert, indem auf die geringe Bereitschaft der Verbraucher verwiesen wird, mehr zu bezahlen. Eine industrielle Nutztierhaltung erscheint de facto als nur unter Bedingungen rentabel, welche das Wohlergehen der Tiere erheblich beeinträchtigen. Um wirtschaftlich produzieren zu können, wird die Nutzung der Tiere perfektioniert, in dem sie zu reinen Kennzahlen in einem industriellen Produktionsprozess geworden sind. Dass es auch anders geht, ist ein offenes Geheimnis.
Zwar listet das deutsche Tierschutzgesetz diverse Straftatbestände auf, die mit Freiheitsstrafe, Geldstrafe (beides nach § 17) oder Geldbuße (bei Ordnungswidrigkeiten nach § 18) bestraft werden können. Das Problem ist die Umsetzung: In vielen Fällen kommt es gar nicht erst zu einem Verfahren, weil die Staatsanwaltschaft nicht ermittelt oder nichts beweisen kann. Und im Falle einer Verurteilung fallen die Strafen in der Regel sehr gering aus. Das Tierhalteverbot ist weiterhin keine Strafe, sondern eine Maßnahme, welche die Strafe begleitet und dazu dient, zukünftige Verstöße gegen das Tierschutzgesetz zu verhindern.
Schwein gehabt?
Am 23. November 2016 entschied das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil, dass in einem Zuchtbetrieb die „Kastenstände entsprechend den Vorgaben von § 24 Abs. 4 Nr. 2 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung so zu gestalten sind, dass sich jedes Schwein ungehindert hinlegen und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann“. Es reiche nicht aus, so das Gericht, dass das Schwein zum Ausstrecken seine Beine in einen benachbarten, ebenfalls belegten Kastenstand stecken kann (BVerwG 3 B 11.16). Demnach komme es nicht auf konkrete Zentimeter-Angaben an. Die Leipziger Richter wiesen mit ihrem Urteil die Nichtzulassungsbeschwerde eines Schweinebetriebs ab, der zur Unternehmensgruppe von Straathof gehört. Das Urteil gelte zwar zunächst nur für die beteiligten Parteien, sagte eine Sprecherin des Bundesverwaltungsgerichts. Es habe aber Wirkung über den Fall hinaus, weil es sich um die höchstrichterliche Auslegung einer Rechtsnorm handele.
Die bisher üblichen Kastenstandbreiten betragen 70 Zentimeter für Sauen und 65 Zentimeter für Jungsauen. Für die inzwischen hochgezüchteten Tiere sind sie viel zu klein. Vor ein paar Jahren wurde in einem Straathof-Betrieb bei einer amtlichen Kontrolle eine Sau mit 1,05 Meter Körperhöhe in einem Kastenstand vorgefunden, welcher 48 Zentimeter breit war.
In Zukunft dürfen sich die Tiere über einen um ein paar Zentimeter größeren Kastenstand freuen. Schwein gehabt?
Quellen
Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.11.2016
Pressemitteilung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag Sachsen-Anhalt