Zur Erklärung des seit den 1960er Jahren in zahlreichen europäischen Ländern stattgefundenden Anstiegs der Kinderlosigkeit wird in der soziologischen und demographischen Literatur zwar häufig auch veränderte Wertesysteme, Lebensführungsideale und normative Selbstverständlichkeiten verwiesen, in der empirischen Forschung dominiert jedoch ein Erklärungsansatz, der diese Entwicklung primär auf die gestiegenen Opportunitätskosten der Elternschaft zurückführt und hierbei vor dem Hintergrund der in den 1960er Jahren einsetzenden Bildungsexpansion auf die Rolle der verbesserten Bildungs- und Erwerbschancen von Frauen hinweist. Demnach steigen, zumindest unter den Bedingungen einer schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mit den Zugangschancen zu höheren Bildungsabschlüssen und mit dem Einkommenspotenzial der Frauen die bildungs- und einkommensbezogenen Opportunitätskosten einer Familiengründung. Die Opportunitätskostenthese kann sich auf zahlreiche empirische Studien stützen, die eine deutliche Bildungsabhängigkeit des Familiengründungsverhaltens belegen. Dass zudem auch Wandlungsprozessen im Bereich der soziokulturellen Leitbilder eine ursächliche Bedeutung für die rückläufige Familiengründungsrate zukommt, lässt sich durch diese Forschungsbefunde allerdings nicht ausschließen. Für weiterführende Erkenntnisse werten wir verschiedene deutsche Surveys aus. Untersucht wird, ob die theoretischen Fertilitätsdeterminanten neben der Familiengründungsrate auch auf den Kinderwunsch Einfluss nehmen, und ob sie auch im Falle vorhandener Kinderwünsche einen Effekt auf das Erstgeburtenverhalten haben und Übergänge zur Elternschaft verhindern. Neben empirischen Analysen zum Zusammenhang zwischen Kinderwünschen und den Opportunitätskosten der Elternschaft wird auf Basis der Frame-Selektions-Theorie ein theoretisches Modell des Zusammenspiels von sozialstrukturellen und soziokulturellen Faktoren der zunehmenden Kinderlosigkeit entworfen und empirischen Hypothesentests unterzogen.
Forschungsprojekte
• "Der Einfluss des Wandels von Partnerschaftsbiographien auf die Geburtenentwicklung"
Dauer: 2007-2008
Förderung: DFG
• "Kinderwunsch, Kinderzahl und Kinderlosigkeit von Männern"
Dauer: 2003-2005
Förderung: BMFSFJ
• "Familiäre Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen in Ost- und Westdeutschland - eine vergleichende Sozialstrukturanalyse der Kindheit", (mit Prof. Dr. Hans Bertram und Prof. Dr. Bernhard Nauck)
Dauer: 1992-1998
Förderung: DFG
Veröffentlichungen
• Eckhard, Jan und Thomas Klein. 2017. Partnerlosigkeit in Deutschland und im internationalen Vergleich. In: Mayer, Tilman (Hrsg.), Die transformative Macht der Demographie. Wiesbaden: Springer VS, S.377-394.
• Eckhard, Jan. 2014. Theoretical Explanations of Increasing Childlessness - Divergent Approaches and the Integrating Potential of the Frame Selection Theory. Comparative Populations Studies, Jg. 39, S. 23-48.
• Eckhard, Jan und Thomas Klein. 2012. Rahmenbedingungen, Motive und die Realisierung von Kinderwünschen. Soziale Welt, Sonderband 19, Zeit, Geld, Infrastruktur - zur Familienpolitik der Zukunft?, S. 231-254.
• Eckhard, Jan. 2010. Partnerschaftswandel und Geburtenrückgang. Berlin: Suhrkamp.
• Klein, Thomas und Jan Eckhard. 2008. Partnerschafts- und berufsbezogene Aspekte des Kinderwunsches von Männern und Frauen. In: Feldhaus, Michael und Johannes Huinink (Hrsg.), Neuere Entwicklungen in der Beziehungs- und Familienforschung. Würzburg: Ergon, S. 379-401.
• Klein, Thomas und Jan Eckhard. 2007. Educational Differences, Value of Children and Fertility Outcomes in Germany. Current Sociology, Jg. 55, S. 505-525.
• Eckhard, Jan und Thomas Klein. 2007. Die Motivation zur Elternschaft. Unterschiede zwischen Männern und Frauen. In: Dirk Konietzka und Michaela Kreyenfeld (Hrsg.), Ein Leben ohne Kinder. Kinderlosigkeit in Deutschland. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 275-294.
• Eckhard, Jan; Klein, Thomas, 2006: Männer, Kinderwunsch und generatives Verhalten. Eine Auswertung des Familiensurvey zu Geschlechterunterschieden in der Motivation zur Elternschaft. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
• Klein, Thomas; Eckhard, Jan, 2005: Bildungsbezogene Unterschiede des Kinderwunschs und des generativen Verhaltens. Eine kritische Analyse der Opportunitätskostenhypothese, in: Steinbach, Anja (Hg.): Generatives Verhalten und Generationenbeziehungen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 135-176
• Klein, Thomas; Eckhard, Jan, 2004: Fertilität in Stieffamilien, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, S. 71-94
• Klein, Thomas, 2003: Die Geburt von Kindern in paarbezogener Perspektive, in: Zeitschrift für Soziologie, S. 506-527 (ausgezeichnet mit dem dritten Preis der Fritz Thyssen-Stiftung für sozialwissenschaftliche Aufsätze des Jahres 2003)
Literaturempfehlung
Eckhard, Jan (2010)
Partnerschaftswandel und Geburtenrückgang
Suhrkamp Verlag