Arbeits- und Forschungsschwerpunkte Prof. Dr. Thomas Schwinn

Soziologische Theorie – Max Weber-Forschung

Das theoretische Profil des Max-Weber-Instituts für Soziologie ist seit vielen Jahren durch den Versuch bestimmt, mittels einer systematischen Rekonstruktion des Werkes von Max Weber ein soziologisches Paradigma zu entwickeln, dass an die zeitgenössische nationale und internationale Theoriediskussion anschlussfähig ist. Über die weberimmanente Interpretation und Rekonstruktion hinaus wird dieser Ansatz in Auseinandersetzung mit konkurrierenden Paradigmen entwickelt, wie der Systemtheorie, Rational Choice, Theorie des kommunikativen Handelns, Praxistheorien. Der Max-Weber-Ansatz stellt eine konkurrenzfähige Alternative zu diesen Theorien in der Soziologie dar.

Das damit verbundene Forschungsprogramm wird im Rahmen von Konferenzen, Publikationen und einer Buchreihe (Studien zum Weber-Paradigma, Springer VS) fortgeführt. Wissenschaftler aus vielen Ländern kommen für ihre Forschung an das Max-Weber-Institut für Soziologie der Universität Heidelberg. Eine öffentliche Vortragsreihe wurde von Prof. Dr. Thomas Schwinn und Dr. Ulrich Bachmann zu Max Webers 100. Todestag 2020 an der Universität Heidelberg organisiert. Die Vorträge sind über hei-ONLINE zugänglich.

Veröffentlichungen (Auswahl):

  • Max Weber’s Methodological Individualism, in: The Palgrave Handbook of Methodological Individualism, Vol. 1. Edited by Nathalie Bulle and Francesco di Iorio. Palgrave Macmillan 2023, S. 321-345.
  • Max Weber revisited: Zur Aktualität eines Klassikers, 2. Auflage (hrsg. mit Ulrich Bachmann). Weinheim/Basel 2022.
  • Klassikerdämmerung. 100 Jahre Max Weber im Kontext der Soziologiegeschichte und des aktuellen Zustandes unserer Disziplin. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 72 (2020), S. 351-381.
  • Alte Begriffe – Neue Probleme. Max Webers Soziologie im Lichte aktueller Problemstellungen (hrsg. mit Gert Albert). Tübingen: Mohr Siebeck 2016.
  • Max Weber und die Systemtheorie. Studien einer handlungstheoretischen Makrosoziologie, Tübingen: Mohr Siebeck 2013.
  • „Jürgen Habermas on Linking Systems and Action Theory“, in: SpazioFilosofico 2016, S. 143-156, Online ISSN: 2038-6788, http://www.spaziofilosofico.it/.
  • Artikel „Ordnung“,„Wertsphären und Lebensordnungen“, „Zwischenbetrachtung“, in: Hans-Peter Müller und Steffen Sigmund (Hg.), Max-Weber-Handbuch. Leben-Werk-Wirkung, Stuttgart/Weimar 2014, S. 98-100, S. 147-149, S. 259-262.
  • „Interaktion, Organisation, Gesellschaft. Eine Alternative zu Mikro-Makro?“, in: Bettina Heintz/Hartmann Tyrell (Hrsg.), Interaktion, Organisation, Gesellschaft revisited. Sonderheft 2 der Zeitschrift für Soziologie zu Niklas Luhmann. Stuttgart: Lucius 2015, S. 43-64.
  • „Brauchen wir den Systembegriff? Zur (Un-)Vereinbarkeit von Akteur- und Systemtheorie“, in: Gert Albert und Steffen Sigmund (Hg.), Soziologische Theorie – kontrovers. 50. Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010, S. 447-461, S. 472-477.
  • „Institutionenanalyse und Makrosoziologie nach Max Weber“, in: Mateusz Stachura/Agathe Bienfait/Gert Albert/Steffen Sigmund (Hg.), Der Sinn der Institutionen. Mehr-Ebenen und Mehr-Seiten-Analysen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009, S. 43-69.
  • „Individual and Collective Agency“, in: William Outhwaite / Stephen P. Turner (eds.), The SAGE Handbook of Social Science Methodology, London: Sage 2007, S. 302-315.
  • „Der Nutzen der Akteure und die Werte der Systeme“, in: Rainer Greshoff/Uwe Schimank (Hrsg.), Integrative Sozialtheorie? Esser – Luhmann – Weber, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, S. 39-62
  • „Unterscheidungskriterien für handlungs- und systemtheoretische Paradigmen in der Soziologie“, in: Manfred Gabriel (Hg.), Paradigmen der akteurszentrierten Soziologie, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004, S. 69-89.
  • „Makrosoziologie jenseits von Gesellschaftstheorie. Funktionalismuskritik nach Max Weber“, in: Jens Jetzkowitz und Carsten Stark (Hg.), Soziologischer Funktionalismus. Zur Methodologie einer Theorietradition, Opladen: Leske + Budrich 2003, S. 83-109.
  • Differenzierung ohne Gesellschaft. Umstellung eines soziologischen Konzepts. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2001.
  • Jenseits von Subjektivismus und Objektivismus. Max Weber, Alfred Schütz und Talcott Parsons, Berlin: Duncker & Humblot 1993.

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Multiple Modernities und Religionssoziologie

Die Genese der Moderne interessierte die Klassiker der Soziologie. Heute steht die Ausbreitung dieser Epoche in den Globalisierungsprozessen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dies stellt eine Herausforderung für die soziologische Theorie, auch die Max Webers dar. Die bisher angebotenen Grundkoordinaten zur Bestimmung von Modernität bieten keine sicheren Leitorientierungen mehr. Bestehende sozialtheoretische Begriffe, Konzepte und Modelle müssen überdacht werden. Modernisierung und Verwestlichung sind nicht deckungsgleich. In ihrer aktuellen Ausbreitung pluralisiert sich die Moderne. Der Forschungsschwerpunkt knüpft an Max Webers kulturvergleichende Soziologie, insbesondere an seine Religionssoziologie, an und entwickelt sie in Auseinandersetzung mit alternativen Theorieangeboten weiter.

Eine thematische Auswahl von Publikationen des Autors in den zurückliegenden Jahren:

  • Rigid Differentiation Theory and Flexible Sociology of Religion?, in: Historicizing Secular-Religion-Demarcations. Interdisciplinary Contributions to Differentiation Theory. Edited by Monika Wohlrab-Sahr, Christoph Kleine, Daniel Witte. Berlin/Boston: de Gruyter 2024, 379-406.
  • Zur Aktualität von Max Webers religionssoziologischem Analyseprogramm, in: Theorie als Beruf. Festschrift für Wolfgang Schluchter (hrsg. mit Ulrich Bachmann). Wiesbaden: Springer VS 2020, S. 1-26.
  • „Achsenzeit – Investiturstreit – Reformation. Eine Religionsgeschichte der Moderne”, in: Die Verwandlung des Heiligen. Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion. Matthias Pohlig und Detlef Pollack (Hrsg.). Berlin: Berlin University Press 2020, S. 139-172.
  • „Die ‘Macht des Heiligen’ als eine Alternative zur Entzauberung? Zu Hans Joas’ Religionstheorie”, in: Berliner Journal für Soziologie 29 (2019), S. 127-149.
  • „Paths to Modernity and the Secularization Issue”, in: Analyse & Kritik 39 (2017), S. 387-402.
  • „Von der vergleichenden Religionssoziologie zur vergleichenden politischen Soziologie. Max Weber und die Vielfalt der Moderne“, in: Thomas Schwinn/Gert Albert (Hg.), Alte Begriffe – Neue Probleme. Max Webers Soziologie im Lichte aktueller Herausforderungen. Tübingen: Mohr Siebeck 2016.
  • „Globalisation and regional variety: problems of theorisation”, in: Jürgen Schriewer (ed.), World Culture Re-Contextualised. Meaning constellations and path-dependencies in comparative and international education research, Routledge 2016, S. 119-137.
  • „Multiple Modernities. Überlegungen im Anschluss an Max Weber“, in: Transit 46 (2015), S. 24-44.
  • „Aspekte und Probleme eines pluralen Moderne-Verständnisses“, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie 38, Heft 4 (2013). VS-Springer, S. 333-354. DOI 10.1007/s11614-013-0106-2.
  • „Zur Neubestimmung des Verhältnisses von Religion und Moderne. Säkularisierung, Differenzierung und multiple Modernitäten“, in: Christof Wolf und Matthias König (Hrsg.), Religion und Gesellschaft. Sonderheft 53 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 65, Heft 1 (2013). Wiesbaden: VS-Springer, S. 73–97. DOI 10.1007/s11577-013-0219-4.
  • „Von der okzidentalen Moderne zur multiplen Moderne?“, in: Hans-Peter Müller und Steffen Sigmund (Hg.), Max-Weber-Handbuch. Leben-Werk-Wirkung, Stuttgart/Weimar 2014, S. 349-354.
  • „Multiple Modernities: Konkurrierende Thesen und offene Fragen. Ein Literaturbericht in konstruktiver Absicht“, in: Zeitschrift für Soziologie 38, Heft 6 (2009), S. 454-456.
  • (Hg.) „Die Vielfalt und die Einheit der Moderne. Kultur- und strukturvergleichende Analysen.“ Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006; darin vom Herausgeber: Die Vielfalt und die Einheit der Moderne. Perspektiven und Probleme eines Forschungsprogramms, S. 7-34.
  • „Konvergenz, Divergenz oder Hybridisierung? Voraussetzungen und Erscheinungsformen von Weltkultur“, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 58 (2006), S. 201-232.
  • „Weltgesellschaft, multiple Moderne und die Herausforderungen für die soziologische Theorie“, in: Bettina Heintz, Richard Münch und Hartmann Tyrell (Hg.), Weltgesellschaft. Theoretische Zugänge und empirische Problemlagen. Sonderheft der Zeitschrift für Soziologie, Stuttgart: Lucius: 2005, S. 205 – 222.
  • „Kulturvergleich in der globalisierten Moderne“, in: Gert Albert et al. (Hg.), Das Weber-Paradigma. Studien zur Weiterentwicklung von Max Webers Forschungsprogramm, Tübingen: Mohr (Siebeck) 2003, S. 301 – 327.


Differenzierungstheorie und soziale Ungleichheit

In diesem Forschungsschwerpunkt steht die Verknüpfung der zwei großen Theorietraditionen der Soziologie zur makrosozialen Beschreibung und Erklärung gesellschaftlicher Grundstrukturen im Mittelpunkt: Differenzierungstheorien und Ungleichheitstheorien. Beide laufen bisher weitgehend beziehungslos nebeneinander her. Um diesen theoretisch wie empirisch unbefriedigenden Zustand zu überwinden, wird in den folgend aufgeführten Arbeiten nach konzeptuellen Brücken und Verknüpfungen gesucht. Mit einer solchen Kombination der beiden makrosozialen Grundachsen der Gesellschaft lassen sich viele Themen- und Problemfelder adäquater analysieren als mit nur einer Strukturdimension: etwa Fragen der Plan- und Steuerbarkeit moderner Gesellschaften, sozialer Ungleichheit und sozialer Integration; die Entwicklung von globalen Strukturen sozialer Ungleichheit.

Unter anderem ist von Prof. Schwinn dazu in den letzten Jahren erschienen:

  • Social Integration – Levels and Dimensions, in: Social Integration (Sonderheft 63 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpyschologie). Edited by Daniela Grunow, Patrick Sachweh, Uwe Schimank, Richard Traunmüller. Wiesbaden: Springer VS 2023, S. 35-67.
  • „Social Inequality – Theoretical Focus. Subject Regained – Attention Lost, in: Sociology in the German-speaking World“. Special Issue Soziologische Revue 2020. Edited by Bettina Hollstein, Rainer Gresshoff, Uwe Schimank, Anja Weiß. Berlin/Boston: de Gruyter 2021, S. 381-397.
  • „Soziale Ungleichheit in differenzierten Ordnungen. Zur Wechselwirkung zweier Strukturprinzipien“. Tübingen: Mohr Siebeck 2019.
  • „Kritik der Meritokratie“, in: Soziale Systeme 19 (2015), S. 184-193.
  • „Zu Uwe Schimanks Versuch einer integrativen Theorie der modernen Gesellschaft“, in: Zeitschrift für Theoretische Soziologie 4 (2015), S. 275-283.
  • „Soziale Milieus: Varianten und Entstehungsbedingungen“, in: Peter Isenböck, Linda Nell, Joachim Renn (Hrsg.): Die Form des Milieus. Zum Verhältnis gesellschaftlicher Differenzierung und Formen der Vergemeinschaftung. 1. Sonderband der Zeitschrift für Theoretische Soziologie. Weinheim: Beltz-Juventa 2014, S. 150-167.
  • „Soziale Differenzierung. Handlungstheoretische Zugänge in der Diskussion“ (hrsg. zusammen mit Clemens Kroneberg und Jens Greve). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011, darin vom Autor: „Von starken und schwachen Gesellschaftsbegriffen. Verfallsstufen eines traditionsreichen Konzepts“, S. 27-44, „Zum Verhältnis von Differenzierungs­und Ungleichheitstheorie auf globaler Ebene“, S. 399-419, und „Perspektiven der neueren Differenzierungstheorie“, S. 421-432.
  • „Wirtschaftssoziologie als Gesellschaftstheorie? Kritische Anfragen aus einer Weberschen Perspektive“, in: Andrea Maurer (Hg.): Wirtschaftssoziologie nach Max Weber. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010, S. 199-225.
  • „Nationale und globale Ungleichheit“, in: Berliner Journal für Soziologie 18 (2008), S. 8-31.
  • „Staatliche Ordnung und moderne Sozialintegration“, in: Peter Imbusch (Wilhelm Heitmeyer (Hg.), Integration – Desintegration. Ein Reader zur Ordnungsproblematik moderner Gesellschaften. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2008, S. 469-490.
  • „Ist Geschlecht ein soziologischer Grundbegriff? Ansprüche und Grenzen der Gender- und Frauenforschung“, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie 33 (2008), S. 28-44.
  • „Klasse, Ethnie und Geschlecht: Konstellationen sozialer Ungleichheit“, in: Cornelia Klinger und Gudrun-Axeli Knapp (Hrsg.), Achsen der Ungleichheit – Achsen der Differenz. Verhältnisbestimmungen von Klasse, Geschlecht, „Rasse“/Ethnizität. Frankfurt/New York: Campus 2007, S. 271-286.
  • Soziale Ungleichheit, Bielefeld: transcript 2007.
  • „Differenzierung und soziale Ungleichheit. Die zwei Soziologien und ihre Verknüpfung“, Frankfurt a. M. 2004, 2. Aufl. 2004, darin vom Herausgeber: „Institutioneile Differenzierung und soziale Ungleichheit. Die zwei Soziologien und ihre Verknüpfung“, S. 9-68; „Ständische Verhältnisse und Ordnungsbildung vom Mittelalter bis in die Neuzeit“, S. 71-102.
  • „Differenzierung und soziale Integration. Wider eine systemtheoretisch halbierte soziologische Theorie“, in: Hans-Joachim Giegel und Uwe Schimank (Hg.), Beobachter der Moderne. Beiträge zu Niklas Luhmanns „Die Gesellschaft der Gesellschaft”, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2003, S. 231-260
  • Differenzierung ohne Gesellschaft. Umstellung eines soziologischen Konzepts, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2001.